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Artroverts in Dinant

Ich war zwei Wochen in der Versenkung, weil wir auf einer Rundreise durch die Ardennen in Belgien waren. Belgien ist ein tolles Land. Wir haben es vor ein paar Jahren auf einer Tour durch Flandern entdeckt und wollten jetzt den französischsprachigen Teil kennen lernen. Wenn Ihr also ein gemütliches Land mit sehr freundlichen Leuten, einer atemberaubenden Natur, viel Geschichte, schönen kleinen Städten erleben wollt, und das Ganze dazu mit 35 verschiedenen Arten der Miesmuschelzubereitung in den Restaurants, dann fahrt nach Belgien.

Ich bin noch ganz voll von all den Eindrücken und daher noch nicht wirklich bereit für tiefschürfende kunstphilosophische Themen. Aber eine Sache hat mich so beeindruckt, dass ich sie hier erzählen will.

Nach einigen Tagen in Bouillon, dicht an der französischen Grenze sind wir umgezogen nach Dinant, direkt an der Maas. Insgesamt spürt man, dass Wallonien keine reiche Region ist. Die Menschen machen den Eindruck, dass sie oft um ihren Alltag kämpfen müssen und dass für Extravaganzen nicht viel Spielraum bleibt. Aber in Dinant konnten wir ein großartiges Fest miterleben, das sehr deutlich gezeigt hat, welche Kraft Kunst haben und wie sie sinnstiftend und identitätsbildend wirken kann. Seit 1996 veranstaltet die Stadt Dinant jedes Jahr im September den „Montmartre Dinant“. Daran können sich bildende Künstlerinnen und Künstler jeglicher Ausrichtung, gleich ob „Professionelle“ oder „Amateure“ beteiligen. Es gibt eine feste Anmeldung und auch einen verbindlichen Kodex. So dürfen die Stände z. B. nicht vorzeitig abgebaut werden, damit der Tag bis zum Ende lebhaft und interessant bleibt. Überall in der Altstadt gab es also Stände mit unterschiedlichsten kreativen Werken zu sehen: Malerei, Design, Schmuck, Fotografie, Keramik, Bildhauerei. Es war wirklich eine erstaunliche Bandbreite. Es haben weit über 100 Künstlerinnen und Künstler teilgenommen, darunter Leute, die ein berufliches Atelier betreiben, aber auch SchülerInnen, RentnerInnen, oder es gab auch einen Stand mit Werken von Leuten mit geistiger Beeinträchtigung. Die Kunstschule hatte geöffnet, man konnte bei der Arbeit zusehen oder auch selbst kreativ tätig werden.

Nachdem wir mit visuellen Eindrücken vollgestopft waren, haben wir uns mit einem Glas Rosé auf einer Bank niedergelassen und der Sängerin zugehört, die ganz entspannt mitten im Trubel Chansons gesungen hat.

Es war ein tolles Stadtfest, bei dem Essen und Trinken nicht so sehr im Vordergrund standen, wie ich das bei unseren deutschen Festen leider oft finde. Hier waren sich alle einig, dass sie tolle Dinge herstellen und tolle Dinge anschauen wollen und dass diese tollen Sachen wertvoll sind und dem nicht immer einfachen Leben etwas entgegenzusetzen haben. Dazu wurden all diese Leute ermutigt und motiviert, sich mit ihrer Leidenschaft, ihrem Hobby, ihrem Beruf öffentlich zu zeigen. Ich erinnere mich an eine kleine, ältere Dame, die ihre Keramiken zeigte und es sichtlich nicht so einfach fand, ihre Werke in dieser Menschenmenge zu präsentieren. Aber es war ihr wichtig, in die Öffentlichkeit zu gehen, und sie hat den Mut dazu gefunden. Das fand ich einfach großartig.

Mich hat es geplättet, wie viele Leute es gibt, die in ihrem Leben in irgendeiner Art und Weise kreativ tätig sein wollen und dabei unglaublich unterschiedliche Wege gehen. Gleichzeitig konnte ich deutlich sehen, wie erfüllt die Leute dabei sind und wie sie aus ihren Arbeit Selbstbewusstsein und Stolz ziehen. Und darüber hinaus war auch die ganze Stadt stolz auf diese Leute und auf sich selbst. Die Kreativität der Menschen wurde gefeiert und gewürdigt und sorgte für einen wirklich umwerfenden Tag. Wir waren sehr froh, dass wir gerade zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein konnten.

Vive l’art – vive les “artroverts”.

(Die “Artroverts” hab ich mir von dem Youtuber Rafi Perez geklaut – introverts – extroverts – artroverts!)

 

I was in hiding for a fortnight because we were on a tour of the Ardennes in Belgium. Belgium is a great country. We discovered it a few years ago on a tour through Flanders and now we wanted to get to know the French-speaking part. So if you want to experience a cosy country with very friendly people, breathtaking nature, lots of history, beautiful small towns, and all this with 35 different ways of preparing mussels in the restaurants, then go to Belgium.

I'm still full from all the impressions and therefore not really ready for profound art-philosophical topics. But one thing impressed me so much that I want to tell it here.

After a few days in Bouillon, close to the French border, we moved to Dinant, right on the Meuse. All in all, one senses that Wallonia is not a rich region. The people give the impression that they often have to fight for their daily lives and that there is not much room for extravagance. But in Dinant we were able to experience a great festival that showed very clearly the power of art and how it can have a meaning and identity-building effect. Since 1996, the city of Dinant has organised the "Montmartre Dinant" every year in September. Visual artists of any orientation, whether "professionals" or "amateurs", can take part. There is a fixed registration and also a binding code. For example, the stalls may not be dismantled prematurely so that the day remains lively and interesting until the end. So everywhere in the old town there were stalls with a wide variety of creative works on display: Painting, design, jewellery, photography, ceramics, sculpture. It was really an amazing range. Well over 100 artists took part, including people who run a professional studio, but also students, pensioners, or there was also a stand with works by people with mental disabilities. The art school was open, you could watch them at work or get creative yourself.

After being filled with visual impressions, we sat down on a bench with a glass of rosé and listened to the singer, who sang chansons in a very relaxed way in the middle of the hustle and bustle.
It was a great city festival where food and drink were not so much in the foreground as I unfortunately often find at our German festivals. Here, everyone agreed that they want to make great things and look at great things and that these great things are valuable and have something to counter the not always easy life. To this end, all these people were encouraged and motivated to show themselves publicly with their passion, their hobby, their profession. I remember a small, elderly lady who showed her ceramics and obviously found it not so easy to present her works in this crowd. But it was important for her to go out in public and she found the courage to do so. I thought that was just great.

I was floored by how many people there are who want to be creative in some way in their lives and take incredibly different paths. At the same time, I could clearly see how fulfilled people are and how they draw self-confidence and pride from their work. And on top of that, the whole city was also proud of these people and of itself. People's creativity was celebrated and appreciated and made for a truly stunning day. We were very happy to be in the right place at just the right time.

Vive l'art - vive les "artroverts".

(I stole the "artroverts" from the Youtuber Rafi Perez - introverts - extroverts - artroverts!)

 

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